„Future“ fotografiert von Ian Treherne.

DIE AUSSTELLUNG „WORLD UNSEEN“

„Future“ von Ian Treherne

Das beeindruckende Porträt des fast blinden Fotografen Ian Treherne von dem behinderten Model Olivia Deane.

10 Min.
Jeder sollte die Möglichkeit haben, die Kraft eindrucksvoller Fotografie zu erleben – auch und vor allem Menschen, die nicht sehen können oder nur über ein eingeschränktes Sehvermögen verfügen. Die Initiative „World Unseen“ macht genau das möglich und Bilder für alle erlebbar. Hier sehen Sie das wunderschöne schwarz-weiß-Porträt, das Ian Treherne von Olivia Deane aufgenommen hat. Sie können sich Ian Trehernes Audio-Beschreibung anhören, oder die Beschreibung unten lesen.

Hören Sie sich an, wie Ian Treherne sein Foto beschreibt.

„Future“ fotografiert von Ian Treherne.

Auf diesem Porträtfoto sehen wir eine junge Frau, die sehnsüchtig nach rechts oben blickt. Wie die meisten meiner Arbeiten ist es schwarz-weiß. Die hellen Töne ihrer ebenmäßigen Haut und ihrer welligen Haare, die ihr bis über die Schultern reichen, stehen im Kontrast zum tiefschwarzen Hintergrund und ihrem dunklen Oberteil.

Ihr Körper ist aus Sicht der Betrachter:innen leicht nach links gewendet, wobei ihr Kopf über die Schulter in die entgegengesetzte Richtung blickt. Sie hat volle, dunkle Augenbrauen und volle Lippen. Ihr linkes Auge (aus Sicht der Betrachter:innen auf der rechten Seite) blickt selbstbewusst in die Mitte. Das rechte Auge fehlt ihr.

Das Bild ist eine Sinfonie aus Licht und Schatten, die um die Oberhand ringen. Die hellsten Stellen befinden sich auf dem Gesicht, insbesondere an der Nasenspitze und an der exponierten Schulter, etwas rechts von der Mitte. Ihr dunkles Oberteil und ihr Hals werden vom Licht nicht erreicht und sind beinahe so dunkel wie der schwarze Hintergrund.

Das von Ian Treherne fotografierte Bild „Future“ in der Simulation einer Sehbeeinträchtigung durch Retinitis Pigmentosa.
So sieht das Foto „Future“ von Ian Treherne ohne die Simulation einer Sehbeeinträchtigung aus.

VERSCHIEBEN SIE DIE LINIE, UM DAS BILD MIT DER SIMULATION EINER RETINITIS PIGMENTOSA (NETZHAUT-ERKRANKUNG) ZU SEHEN.

ORIGINAL

Mein Name ist Ian Treherne. Ich bin sowohl praktisch blind als auch taub, da ich mit dem RP-Typ-2-Usher-Syndrom geboren wurde. Ich habe dieses Foto des behinderten Models Olivia Deane mit der Canon 7D und einem 17-40mm-Objektiv aufgenommen.

Ich mochte schon immer das Gefühl, ein Bild zu betrachten. Vor allem Schwarz-Weiß-Bilder haben es mir angetan, denn die monochromen Töne vermitteln ein Gefühl der Zeitlosigkeit.

Als ich 15 Jahre alt war, teilte mir mein Arzt mit, dass ich mein Augenlicht verlieren werde, was mich enorm beeinflusst hat. Mich überkam Angst. Jedoch spürte ich auch ein enormes Bedürfnis, vorher noch so viel wie möglich zu sehen und zu machen. Durch meine Beharrlichkeit, meinen Mut und meine Entschlossenheit, verfolgte ich meinen Traum, Fotograf zu werden. Ich lernte nur durch Ausprobieren und Experimentieren. Ich habe mir alles selbst beigebracht und von den großen Fotokünstler:innen des Jahrhunderts, wie Nadar, gelernt.

Praktisch blind zu sein, macht alles schwieriger – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Ich fühle mich verletzlich und muss mich mehr anstrengen als andere, um meine Rolle als Mensch zu erfüllen, um am Leben und an der Gesellschaft teilzuhaben.

HINTER DER AUFNAHME.
Ian Treherne hat dieses schwarz-weiß-Porträt von Olivia Deane mit einer Canon EOS 7D aufgenommen.

HINTER DER AUFNAHME.

Ian Treherne hat dieses Schwarz-Weiß-Porträt von Olivia Deane mit einer Canon EOS 7D aufgenommen.

Ich sehe und fühle die Welt durch mein eingeschränktes Sehvermögen anders, erlebe die Realität in Dunkelheit und nutze meine Sinne, um die Herausforderungen des Lebens zu meistern.

Die Fotografie ist für mich unglaublich wichtig. Sie ermöglicht es mir, eine Brücke zu bauen, um mit Menschen in Kontakt zu treten. Mein Verständnis von der Welt und die Herausforderungen eines nahezu Blinden kanalisiere ich durch mein Objektiv. So kann ich die porträtierte Person optimal einfangen und ein ehrliches Porträt mit authentischen Gefühlen erschaffen.

Meine Herangehensweise an die Schwarz-Weiß-Fotografie hat ihren Ursprung in den Stummfilmen, die ich in meiner Kindheit angeschaut habe. Da ich schon von Geburt an extrem schwerhörig war, fühlte ich mich zu Stummfilmen hingezogen, bei denen ich mich ganz auf die bewegten Bilder und die Bildsprache konzentrieren konnte.

Meine Liebe zum Film wuchs immer weiter und führte dazu, dass ich mir gern die Noir-Filme von berühmten Regisseuren wie Orson Welles, Carol Reed und David Lean ansah. Im Gegenzug verliebte ich mich dann in die Arbeit moderner Größen wie Stanley Kubrick, Martin Scorsese und Wes Craven. Ich studierte ihre Kameraführung und Kinematografie ganz genau.

Ich bin zwar auch farbenblind, aber die Schwarz-Weiß-Fotografie würde mich auch dann noch begeistern, wenn ich es nicht wäre. Damit kann man das Farbrauschen vergessen und sich ganz auf Kontrast, Mitteltöne und Spitzlichter konzentrieren, die die Bildkomposition und Botschaft eines Bildes ausmachen.

In der Porträtfotografie vermittelt die persönliche Ausstrahlung den Charakter der Person und macht das Gewöhnliche zu etwas Außergewöhnlichem. Ich hoffe, dass Sie das auch bei Olivia Deanes Porträt so erleben.

Sie ist frischgebackene Mutter eines kleinen Jungen namens Kaito und verlor ihr rechtes Auge durch ein Retinoblastom als sie 14 Jahre alt war. Die Krankheit tritt normalerweise bei Kindern unter fünf Jahren auf. Damit ist sie die älteste Person, bei der diese seltene Krankheit jemals diagnostiziert wurde.

Ich mochte schon immer das Gefühl, ein Bild zu betrachten. Vor allem Schwarz-Weiß-Bilder haben es mir angetan, denn die monochromen Töne vermitteln ein Gefühl der Zeitlosigkeit.“

Olivia Deane erzählte mir, dass ihr fehlendes Auge genau das ist, was sie am meisten an sich liebt. „Das war es, was mich dazu gebracht hat, all die Dinge zu tun, die ich in den letzten Jahren erreicht habe“, sagte sie. „Es hat mich zum glücklichsten Menschen gemacht, der ich je war.“

Ich habe dieses Bild „Future“ genannt, weil es zeigt, wer Olivia Deane ist und was sie noch alles erreichen will. Sie sprach darüber, wie sie Menschen mit Behinderungen inspirieren und ermutigen möchte, ihre Unterschiede und Herausforderungen anzunehmen. Es geht darum, unsere Gesellschaft zu modernisieren und eine Zukunft zu schaffen, auf die auch die nächste Generation stolz sein kann.

Wie Olivia akzeptiere auch ich meine Behinderung und mache sie zu einem wichtigen Bestandteil meiner Arbeit. Ich nenne mich selbst den „blinden Fotografen“. Das mache ich nicht nur, um zu inspirieren, sondern auch um die Gesellschaft herauszufordern, ihre Wahrnehmung blinder Menschen im Allgemeinen zu überdenken.

Mit war klar, dass das die Gesellschaft verunsichern würde. Es entspricht ja nicht der Norm und meine Wahrnehmung wird vollkommen in Frage gestellt. Vielleicht haben andere fast blinde Menschen schon einmal mit dem Gedanken gespielt, eine Kamera in die Hand zu nehmen. Aber aus Angst vor falschen Wahrnehmungen und Vorurteilen trauen sie sich nicht, ihrer Kreativität nachzugehen. Denen möchte ich etwas entgegen setzen und sie inspirieren.

Blindheit ist ein Spektrum. Das gängige Klischee basiert auf einem kleinen Prozentsatz, der von der Gesellschaft oft in Frage gestellt und danach beurteilt wird, was er tut.

Als blinder Mensch wird man ständig in Schubladen gesteckt. So wie Olivia Deane sich ihre Behinderung zu Nutze gemacht hat, hat sich meine rebellische Natur immer dagegen gewehrt, mich von den Vorstellungen anderer einschränken zu lassen.

Ich kann nicht leugnen, dass es schwer ist, blind zu sein, aber ich finde überall Inspiration. Nicht nur von Fotograf:innen, sondern auch von Para-Sportler:innen. Unsere Gemeinsamkeit besteht darin, dass auch sie anders denken müssen, um die Regeln zu ändern und veraltete Vorurteile zu durchbrechen, die noch immer in der Gesellschaft verankert sind.

DRUCK DER „WORLD UNSEEN“.
Um das Projekt „World Unseen“ zu ermöglichen, haben wir die Braille-Beschriftung und die ausdrucksstarken Bilder mit der Canon PRISMAelevate XL-Software und einem Drucksystem der Arizona-Serie als Relief gedruckt.

DRUCK DER „WORLD UNSEEN“.

Um das Projekt „World Unseen“ zu ermöglichen, haben wir die Braille-Beschriftung und die ausdrucksstarken Bilder mit der Canon PRISMAelevate XL-Software und einem Drucksystem der Arizona-Serie als Relief gedruckt. Im Folgenden erfahren Sie mehr über diese innovativen Produkte:

Olivia Deane erzählte mir, dass ihr fehlendes Auge genau das ist, was sie am meisten an sich liebt.“

Schauen Sie sich die World Unseen Sammlung an.