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Ivor Prickett: An der Front im Kampf um Mossul

An elderly Iraqi lady sits on a dining chair in the middle of a dusty rural road with collapsed houses at the side.
Nadahira Aziz sieht zu, wie Arbeiter der irakischen Zivilverteidigung (ICDC) die Leichen ihrer Schwester und Nichte aus den Trümmern ihres Hauses in der Altstadt von Mossul bergen, wo sie im Juni 2017 durch einen Luftschlag getötet wurden. Aufgenommen am 16. September 2017 mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv. © Ivor Prickett/The New York Times

Ein erschöpfter Junge ruht an der Schulter eines kampferprobten Soldaten. Kriegsmüde Menschen stehen Schlange, um Hilfsgüter zu erhalten. Ein brennendes Auto in einer Straße, die bereits in Trümmern liegt. Ivor Pricketts ausdrucksstarke Bilder, aufgenommen während des Kampfes zur Rückeroberung der irakischen Stadt Mossul vom ISIS, zeigen die verheerenden Folgen des Krieges für Gemeinden und Einzelne.

Canon Fotograf Prickett arbeitet seit 2009 im Nahen Osten an eigenen langfristigen Projekten, während er zugleich individuelle redaktionelle Aufträge ausführte. Seine oft gefährliche Arbeit umfasste auch die Vor-Ort-Reportage über die Revolutionen im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ in Ägypten und Libyen sowie die syrische Flüchtlingskrise.

Nadahira Aziz sieht zu, wie Arbeiter der irakischen Zivilverteidigung (ICDC) die Leichen ihrer Schwester und Nichte aus den Trümmern ihres Hauses in der Altstadt von Mossul bergen, wo sie im Juni 2017 durch einen Luftschlag getötet wurden. Aufgenommen am 16. September 2017 mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv. © Ivor Prickett/The New York Times
Christian Ziegler’s

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Der in Irland geborene Ivor Prickett besitzt einen Abschluss in Dokumentarfotografie von der University of Wales. Er wurde mit mehreren bedeutenden Fotografiepreisen ausgezeichnet, darunter der Ian Parry Scholarship und dem Godfrey Argent Award der britischen National Portrait Gallery.

Im World Press Photo Contest 2018 gewann er den ersten Preis in der Kategorie „General News Stories“ für seine Exklusivfotos für die New York Times im Jahr 2017 in Mossul. Außerdem wurden zwei Bilder aus dieser Geschichte in der Kategorie „Picture of the Year“ nominiert – damit war er einer von nur fünf Nominierten.

Hier spricht er darüber, welchen Hintergrund seine Dokumentarfotografie hat, wie es sich anfühlt, in einem Kriegsgebiet zu arbeiten, und was ihn bei der Arbeit antreibt.

Wie kam es, dass Sie beim Kampf zur Rückeroberung von Mossul in der Stadt waren?

„Ich lebe in Istanbul in der Türkei und arbeite seit acht Jahren in der Region. Als Mossul fiel und der ISIS auf der Bildfläche erschien, war es ganz klar eine der größten Geschichten in der Region. Ich positionierte mich dort vor dem Beginn der Kämpfe zur Rückeroberung Mossuls, die offiziell im Oktober 2016 begannen. Zunächst arbeitete ich unabhängig, dann wurde die New York Times auf mich aufmerksam, und unsere Zusammenarbeit begann im Januar 2017.“

Wie sind Sie an die Front gelangt?

„Ich war in die Spezialeinsatzkräfte der ISOF integriert, die in vieler Hinsicht die Eliteeinheit der Bodentruppen in Mossul waren. Man konnte als Dokumentarfotograf dort täglich ein- und ausgehen, doch ich wusste, dass ich bei den Bodentruppen bleiben wollte. Nicht viele Journalisten wurden integriert und hielten sich bei den Truppen in Mossul auf. Es war sehr schwer, dafür eine Genehmigung zu erhalten, und es war auch unglaublich gefährlich. Daher erlaubten die meisten Nachrichtenorganisationen ihren Mitarbeitern das nicht. Aber ich konnte die Regeln ein wenig großzügiger auslegen und machte es möglich.“

Wie war es für Sie, in so einer Situation zu arbeiten?

„Es war eine große Herausforderung, und ich musste ständig dazulernen, weil ich Brutalität und Kämpfe in dieser Härte noch nicht erlebt hatte. Ich war bei den Truppen, die in Gebiete vordrangen, die noch der Kontrolle des ISIS unterlagen, kurz hinter den allerersten Einheiten. Bei Luftangriffen erlebte ich Einschläge nur ca. 100 bis 150 Meter vor mir. Das war sehr schwer zu begreifen und schwer zu fotografieren.“

Four men's faces look out of a tiny barred window of a prison cell. The door and wall are battered.
Aus einer Zelle in einem Gefängnis südlich des Stadtzentrums von Mossul spähende mutmaßliche ISIS-Mitglieder. In diesem Gefängnis werden Verdächtige festgehalten, um sie zu befragen. Wenn ihre Zugehörigkeit zu der militanten Gruppierung nachgewiesen wird, werden sie vor Gericht gestellt. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Objektiv Canon EF 35mm f/1.4L USM. © Ivor Prickett/The New York Times

Auf welche Aspekte des Lebens in Mossul haben Sie sich konzentriert?

„Mich interessierte am meisten die Perspektive der Zivilisten. Ich wartete auf die Momente der Befreiung, in denen die Leute aus ihren Häusern kamen, nachdem sie von der ISIS-Herrschaft befreit wurden. Manche flohen, andere entschlossen sich zu bleiben. Diese Momente zu dokumentieren, in denen Zivilisten in den Kampf hineingezogen und vielfach auf tragische Weise getötet oder verletzt wurden, empfand ich als besonders wichtig. Danach habe ich also Ausschau gehalten. Und auch das Kampfgeschehen versuchte ich zu dokumentieren.

Sie haben in Mossul schreckliche Dinge gesehen. Wie gehen Sie damit um?

„Wenn man mitten in so einem Kampf steckt, sieht man [unerklärliche] Dinge, schreckliche Dinge. Der einzige Weg, wie ich mich vor Ort damit auseinandersetze, ist, mir bewusst zu machen, warum ich dort bin und was meine Aufgabe ist – und diese Aufgabe dann zu erledigen. Wenn ich nur als Beobachter dort gewesen wäre und keine Aufgabe gehabt hätte, wäre ich wohl schnell zusammengebrochen. Aber ich war entschlossen und konzentriert. Ich wusste genau, warum ich dort war und warum es wichtig war, dort zu sein. Das hat mir die Kraft gegeben, weiterzumachen.“

An Iraqi woman stands in the doorway of her home, crying and holding out her hands. Steps leading to her front door have blood on them; a young boy stands behind her.
Eine Frau schreit, kurz nachdem ihr Sohn bei einem ISIS-Mörserangriff in der Nähe von West-Mossul getötet wurde. Der bei der Explosion auf der Straße verletzte, stark blutende junge Mann war bis zur Türschwelle gezogen worden. Er wurde zwar umgehend in medizinische Behandlung gebracht, war er beim Eintreffen im Krankenhaus jedoch schon tot. Aufgenommen am 22. März 2017 mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv. © Ivor Prickett/The New York Times

Haben Sie schon einmal emotional auf das reagiert, was Sie erlebt haben?

„Vieles wird einem erst hinterher bewusst, wenn man die Bilder zu Hause in Ruhe bearbeitet oder die Reportage schreibt. Dann denkt man über das nach, wovon man Augenzeuge geworden ist. Aber eigentlich war es gar nicht so sehr das, was ich sah, sondern vielmehr die Geschichten, die ich hörte. Ich meine damit, eine Leiche zu sehen ist nicht so verstörend, wie Zeuge der schmerzvollen Trauer der Hinterbliebenen zu werden.

„Ich habe zum Beispiel das Bild der Frau aufgenommen, die an einer Türschwelle steht, die mit dem Blut ihres Sohnes bedeckt ist – kurz, nachdem er in einem Mörserangriff getötet wurde. Wir waren mitten im Geschehen und ich wurde Zeuge ihrer Trauer, als ihr bewusst wurde, dass sie ihren Sohn verloren hatte. Das Bild selbst ist zwar nicht besonders drastisch, aber für mich war es unglaublich schwer, diesen Augenblick mitzuerleben, und zwar sowohl währenddessen als auch später. Ich bekam dieses Erlebnis nicht mehr aus meinem Kopf. Die Familie war bereits vertrieben worden und lebte nun in diesem Haus, als es passierte. Solche Geschichten über Verluste gehen einem wirklich nahe.“

Soldiers stand on and around a tank in a bombed-out city street; a car on fire a few metres away.
Spezialeinsatzkräfte der ISOF nehmen die Folgen eines ISIS-Selbstmordattentats mit einer Autobombe auf ihre Linien im Bezirk Al Andalus in der Nähe von Ost-Mossul, Irak, in Augenschein. Aufgenommen am 16. Januar 2017 mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv. © Ivor Prickett/Panos Pictures

Können Sie die Geschichte hinter dem Bild des Jungen erzählen, der von einer Spezialeinsatzkraft der ISOF getragen wird (nominiert als „World Press Photo of the Year“ 2018)?

„Das war im Juli 2017, ein paar Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Befreiung von Mossul, als jedoch immer noch Kämpfe stattfanden. Einige der Männer der Einheit, mit der ich unterwegs war, brachten einen Mann mit, der den Jungen anscheinend getragen hatte, als er gefunden wurde. Man ging sofort davon aus, dass es sich bei dem Mann um ein ISIS-Mitglied handelte und dass er den Jungen als menschlichen Schutzschild verwenden wollte. Der Kommandant sagte, einer seiner Männer würde sich um den Jungen kümmern. Er trug vollkommen zerfetzte, schmutzige Lumpen und war voller Dreck. Darum zogen sie ihm die Kleidung aus und wuschen ihn gleich dort, direkt an der Front.

„Ich habe dieses Bild aufgenommen, als er endlich seine Augen geschlossen hatte und einfach an der Schulter des Soldaten ruhte. Es war wirklich eine erschütternde Szene, denn diese Männer sind kampferfahrene Soldaten, und sie hatten bis zu diesem Augenblick gekämpft. Und dann legten 20 von ihnen für eine Sekunde die Gewehre nieder und kümmerten sich rührend um dieses Kind. Zu sehen, wie das Kind endlich etwas Ruhe und Frieden an der Schulter des Soldaten fand, war ein bewegender Augenblick.“

Welche Ausrüstung haben Sie in Mossul verwendet?

„In Mossul habe ich die ganze Zeit Kameragehäuse vom Typ Canon EOS 5D Mark III verwendet. Ich besitze zwei, und sie sind seit einigen Jahren meine bewährtesten Kameras. Normalerweise trage ich eine Kamera bei mir und lasse die andere in meiner Tasche im Auto. Und ich verwendete eine Reihe von Objektiven, wie zum Beispiel das Canon EF 35mm f/1.4L II USM und das Canon EF 50mm f/1.4 USM und auch mein Arbeitstier, das Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM.“

A line of girls and women wearing hijabs stand close together, close to the camera. A few metres away, men and boys also stand in a long line.
In Mossul gebliebene Zivilisten in der Schlange bei der Verteilung von Hilfsgütern im Bezirk Mamun. Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III mit einem Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM Objektiv. © Ivor Prickett/The New York Times

Worauf achten Sie bei der Auswahl von Geräten?

„Ich bleibe bei Canon und liebe die 5D-Serie. Ich verwende sie seit Jahren. Die Canon EOS 5D Mark III ist großartig, weil sie ziemlich leicht und dennoch strapazierfähig ist. Ich brauche etwas, das relativ robust, aber auch einfach zu handhaben und klein ist. Ich brauche auch eine schnelle Verarbeitungsgeschwindigkeit und kleinere Dateien, um überall mit meinem eigenen Laptop zu arbeiten. Das Canon EF 24-70mm f/2.8L II USM war häufig mein bevorzugtes Objektiv, weil ich niemals wusste, was mich am Tag erwartete. Normalerweise setzte ich dieses Objektiv ein und nahm ein zweites Objektiv mit Festbrennweite mit. Aufgrund seiner Vielseitigkeit und Geschwindigkeit war es mein bevorzugtes Objektiv.“

Waren Sie bei Ihrer Arbeit schon einmal in einer Situation, in der Sie die Ausrüstung an ihre Grenzen gebracht haben?

„Ja, ich glaube, das habe ich in Mossul die meiste Zeit getan. Ob ich aus einem Militärjeep heraus oder wieder hinein sprang oder mich auf den Boden in Deckung warf – meine Geräte mussten vielem standhalten und haben mich nie im Stich gelassen. Im Sommer steigen die Temperaturen im Irak auf bis zu 50 °C. Und während ich fotografierte, wurde meine Kamera doppelt beansprucht. Auch hier hatte ich nie ein Problem. Das war wirklich erstaunlich.“

Was motiviert Sie zu dieser Art von Arbeit?

„Ich wollte immer an Orte gehen, an denen ich das Gefühl hatte, dass niemand sonst dort ist, um die Geschichten der Menschen zu erzählen, die im Konflikt gefangen sind, oder von den Nachwirkungen dieser Konflikte. Es ist mir wichtig, Zeuge und Dokumentarfotograf zu sein – jemand, der diese Informationen sammelt und zurückbringt. Ob es jemals einen Unterschied machen wird, weiß ich nicht – aber ich glaube, dass es für uns wichtig ist, vor Ort zu sein.“

Verfasst von David Clark


Ivor Pricketts Ausrüstung

Die Ausrüstung, die Profis für ihre Fotos verwenden

Photojournalist Ivor Prickett sits on the roof of a truck to take a picture of a boy sorting crates of tomatoes.

Kamera

Canon EOS 5D Mark IV

Diese Vollformat-DSLR mit 30,4 MP erfasst unglaubliche Details selbst bei extremem Kontrast. Reihenaufnahmen mit 7 Bildern/Sekunde helfen dabei, den perfekten Moment abzupassen, während 4K-Video hochauflösendes Filmmaterial im DCI-Standard (4096 x 2160) liefert.

Objektiv

Canon EF 24-70mm 1:2,8L II USM

Dieses professionelle Standard-Zoomobjektiv bietet eine hervorragende Bildschärfe und robuste Qualität der L-Serie. Dank der konstanten Blende von f/2.8 können Sie herausragende Fotos selbst bei wenig Licht aufnehmen und die Schärfentiefe mit Leichtigkeit steuern.

Objektiv

Canon EF 50mm f/1.4 USM

Mit seiner hohen Lichtstärke und dem blitzschnellen AF-System bietet dieses kompakte, leistungsstarke Standardobjektiv Zuverlässigkeit auf jedem Gebiet der Fotografie.

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