Nachrichten zum Fühlen: Fotojournalismus für Sehbehinderte.

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In diesem Schwarz-Weiß-Foto lehnen sich zwei bandagierte Köpfe aneinander. Die Ränder der Köpfe sind jedoch scharf und als Relief auf einem flachen Hintergrund gedruckt.

Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir den Artikel über unsere Arbeit im Museum Hilversum veröffentlicht. Hier wurden jetzt in Zusammenarbeit mit dem dortigen Forschungslabor sechs Gewinnerbilder des Fotojournalismus-Preises „Zilveren Camera“ (Silberne Kamera) in ein taktiles und akustisches Erlebnis für blinde und sehbehinderte Besucher „übersetzt“. Unsere Elevated Printing Drucktechnologie bietet sich für solche Projekte natürlich an. Dennoch betrachten wir unsere Beteiligung als ein großes Privileg und eine gute Gelegenheit zum Lernen. Initiativen wie diese mit dem Museum Hilversum und anderen großartigen Institutionen und Künstlern, sind der Grundstein für „World Unseen“.

Der Fotojournalismus bringt so viele wichtige Erkenntnisse über unsere Welt. Die Ironie dabei ist, dass diejenigen, die dieses Wissen am meisten brauchen könnten, am wenigsten Zugang dazu haben. Das niederländische Museum Hilversum zeigt regelmäßig beeindruckende Fotoausstellungen. Daher war es entschlossen, seinen sehbehinderten Besucher:innen eine ganz neue Erfahrungen zu bieten.

In den Niederlanden ist Hilversum die Heimat von Presse, Fernsehen und Rundfunk. Das dortige Museum ist also wie geschaffen für Ausstellungen zum Thema Medienkunst und -design. Das Museum befindet sich im ehemaligen Rathaus von Hilversum und wurde für die Bedürfnisse eines angesehenen Museums entsprechend umgebaut. Alljährlich ist es der Austragungsort für die „Zilveren Camera“ (Silberne Kamera) für Fotojournalismus und die erste Station der anschließenden Tournee durch die Niederlande. Vor kurzem hat das Museum Hilversum das „Forschungslabor“ eröffnet. Dieser Ort des Experimentierens konzentriert sich auf neue Wege, wie das Museum zu einer integrativeren Gesellschaft beitragen kann.

„Voel het nieuws“ (Nachrichten zum Fühlen) ist das erste Projekt, das aus diesem Forschungslabor hervorgegangen ist. Es gibt Sehbehinderten die Möglichkeit, den kraftvollen Fotojournalismus der „Zilveren Camera“ zu erleben. Die visuelle Designerin und Fotografin Daphne Wageman und Clemens Weijkamp von Canon Production Printing haben die Gestaltung eines ganzheitlichen Erlebnisses der dargestellten Szenen unterstützt. Daphne Wageman kann zwar sehen, weiß aber ganz genau, wie die sich Welt ohne Augenlicht darstellt, da sie selbst einmal blind war. Für eine Therapie wegen einer Schädigung ihrer Makula lutea (ein Punkt in der Nähe der Netzhaut des Auges) musste ihr Sehnerv deaktiviert werden, wodurch sie vorübergehend ihr Augenlicht verlor. Seitdem erkundet sie mit ihren kreativen Arbeiten das Leben ohne Augenlicht.

Nahaufnahme eines Drucksystems in Aktion, das die vielen feinen Schichten druckt, die für die subtilen taktilen Veränderungen erforderlich sind.

Sobald die Dateien vorbereitet sind, sind die Techniker im Canon Elevated Printing Technologie-Labor von Canon Production Printing in Venlo in der Lage, die subtilen taktilen Elemente mit Hilfe der Elevated Printing Technologie und der Großformat-Drucksysteme der Canon Arizona 13/2300-Serie zu realisieren. (Fotografiert von Clemens Weijkamp)

Daphne Wageman hat zusammen mit dem blinden Fotografen Hannes Wallrafen sechs der prämierten Fotos in taktile und akustische Formate „übersetzt“. Sie geben der Geschichte damit mehr Kontext und Tiefe als es die üblichen Audio- oder Braille-Beschreibungen vermögen. Dazu wandelte Daphne Wageman jedes Foto in mühsamer Kleinarbeit in einzelne Farbbildebenen – sogenante „Slices“ – um und erstellte in Adobe Photoshop ein Höhenprofil für jedes Foto. Diese Dateien wurden dann von erfahrenen Technikern im Canon Elevated Printing Technologie-Labor von Canon Production Printing in Venlo verarbeitet. 

Die Elevated Printing Technologie wurde als maßgeschneiderte Anwendung für die Großformat-Drucksysteme der Canon Arizona 13/2300-Serie entwickelt. Sie hat schon viele spannende Projekte zum Leben erweckt, darunter perfekte Repliken von Rembrandts Porträt eines älteren Mannes und Carel Fabritius’ legendärem Trompe l’œil, Der Distelfink. Daphne Wagemans eigenes Projekt „Blindzicht“ (Blindes Sehen), wurde ebenfalls mit Hilfe dieser Technologie realisiert. Da war es nur logisch, dass sie diejenige war, die Clemens Weijkamp bei dieser wichtigen neuen Arbeit unterstützte.

Ein Mann und eine Frau stehen nebeneinander und betrachten ein großes Schwarz-Weiß-Foto, das zwei aneinandergekauerte Personen zeigt.

Eddy van Wessel, Gewinner der Silbernen Kamera, und Daphne Wageman mit einem Bild, das mit der Canon Elevated Print Technologie hergestellt wurde, aus der siegreichen Serie „Ruins for freedom“ (Ruinen für die Freiheit). (Fotografiert von Kenneth Stamp)

Zwei Paar Hände ertasten den schwarz-weißen Reliefdruck eines jungen Mannes.

Eddy van Wessel und Hannes Wallrafen ertasten gemeinsam einen Reliefdruck.

Elevated Printing verwendet UV-härtende Druckfarben, die so lange flüssig sind, bis sie durch intensive UV-Bestrahlung aushärten. Damit lassen sich extrem dünne Farbschichten – dünner als ein menschliches Haar – nach dem jeweiligen Aushärten übereinander auftragen. Die Höhe der Drucke wurde mit CMYK- und weißer Tinte aufgebaut, wobei die letzten beiden oberen Schichten (die „Reliefschicht“) jeweils in Weiß und dann in der finalen Farbe sind.

Außerdem arbeitete Hannes Wallrafen mit dem Museum Hilversum und den Fotograf:innen von „Zilveren Camera“ zusammen, um für die App des Museums eine Audiobeschreibung zu erstellen. Alle Fotograf:innen wurden gebeten, ihr jeweiliges Bild ausführlich zu beschreiben. Hannes Wallrafen stand dabei beratend zur Seite. So konnte sicher gestellt werden, dass sehbehinderte Zuhörer:innen die Fotos mit der Beschreibung im Geist visualisieren können. Der Fotojournalismus zeichnet sich durch seine emotionale Kraft, die Feinheit der Details und die Nuancierung des Kontexts aus. Der robuste und langlebige taktile Druck ist zusammen mit den Audiobeschreibungen in der Lage, solche Bilder vollständig und umfassend vor dem inneren Auge darzustellen. „Die Kombination der Informationen aus Hören und Fühlen sorgt für einen Aha-Effekt!“, sagt Hannes Wallrafen, der die Werke mit seinen Mitarbeitern Ron und Tim untersucht hat. „Die Beschreibung, wie zum Beispiel ein großer Schritt, nasses Wetter, lange Stiefel, Jacke, Richtung links, ist dabei wichtig. Dann fängt man an, das Bild mit den Händen zu erforschen. Diese Kombination ist wirklich ein Mehrwert.“

„Mit diesem Projekt wollen wir einen Beitrag zu einer integrativeren Gesellschaft leisten“, sagt Museumsdirektorin Fleur Van Muiswinkel. „Im Rahmen der „Zilveren Camera“ zeigen wir die ersten Ergebnisse unserer Forschung. Wir stehen aber erst am Anfang dieses Experiments. Es braucht viel Aufmerksamkeit und Zeit, denn es ist deutlich komplexer, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Als Museumsdirektorin möchte ich natürlich erkunden, ob wir das in Zukunft auch in anderen Ausstellungen im großen Stil anwenden können.“

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