Einblicke – Artikel 2
Die innere Stärke
Ein Blick in die Köpfe der führenden Spieler bei der Rugby-Weltmeisterschaft 2023
Einblicke – Artikel 2
Ein Blick in die Köpfe der führenden Spieler bei der Rugby-Weltmeisterschaft 2023
„Stärke kommt nicht von der körperlichen Leistungsfähigkeit. Sie ergibt sich aus einem eisernen Willen.“
Mahatma Ghandi zufolge ist geballte Kraft nur ein Teil des Bildes, wenn es darum geht, zu bestimmen, wie stark eine Person ist. Tatsächlich spielt sie eine viel geringere Rolle, als wir glauben.
Und José Rodrigues, der 20 Jahre lang als Physiotherapeut mit einigen der körperlich stärksten Athleten der Welt gearbeitet hat, stimmt dem absolut zu. Wenn man ganz tief in das Innere schaut, hinter die Muskeln und Knochen, kann man das wahre Ich des Menschen aus einer ganz anderen Perspektive sehen. „Die Spieler müssen körperlich und mental topfit sein, denn nur diese Kombination wird langfristig Verletzungen verhindern“, sagt er.
„Optimismus ist der Glaube, der zum Erfolg führt“, schrieb Helen Keller einmal. „Ohne Hoffnung und Zuversicht kann man nichts erreichen.“ Dieses Zitat spiegelt sehr gut wider, was José über die Rolle von Mentalität, Optimismus und Zuversicht in seiner Arbeit denkt.
Er ist seit 2003 Physiotherapeut der portugiesischen Nationalmannschaft und war auch Teil des Teams bei der Rugby-Weltmeisterschaft 2007. Die Rolle mag sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert haben, aber José sagt, dass der Respekt vor der Beziehung zwischen dem Körperlichen und dem Mentalen immer der Schlüssel war.
„Ein Spieler kann nicht mit dem Gefühl auf den Platz gehen, dass es ihm nicht gut geht, er sich nicht wohl fühlt oder nicht fit ist“, sagt er. „Alles muss perfekt zusammenpassen, damit er sich auf dem Spielfeld zu 100 Prozent wohl fühlt und alles geben kann. Wenn ein Spieler auf das Spielfeld geht und vor irgend etwas Angst hat, kann das schnell zu einer neuen Verletzung führen.“
José hat das gesamte Verletzungsspektrum miterlebt, einschließlich Brüchen und Rupturen, die eine Karriere beenden. Aber er hat auch schon kleine Wunder erlebt. Neben der genetischen und körperlichen Veranlagung können laut José auch die Einstellung und die mentale Stärke der verletzten Spieler einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis haben.
Man muss alles perfekt zusammenführen, damit der Spieler sich auf dem Spielfeld zu 100 Prozent wohl fühlt und alles geben kann.
Vasco Uva – der zu einer Ikone des portugiesischen Rugbysports und zur Nr. 8 beim Turnier wurde – ist ein gutes Beispiel dafür. „Unser Kapitän Uva hatte eine Verletzung und musste operiert werden“, erinnert er sich. „Zunächst dachte man, die Rugby-Weltmeisterschaft sei für ihn vorbei, aber er erholte sich. Er spielte und wurde 2007 zu unserem legendären Kapitän.
„Der Kopf des Spielers und wie er selbst seine Verletzung sieht, ist sehr wichtig. Es hilft, weil der Spieler positiv denkt: Er will sich schnell erholen, er hört auf die Physiotherapeuten und befolgt unsere Anweisungen.
„Außerdem ist es die Aufgabe des Physiotherapeuten, den Spieler zu beruhigen, ihm zu sagen ‚alles wird gut‘ und ihm Vertrauen zu geben. Denn wenn der Physiotherapeut mit dem Spieler arbeitet und sagt, ‚alles wird gut‘ kann das alles ändern. Wenn er dann Schmerzen hat oder an seine Grenzen stößt, kann dieses Vertrauen den Spieler auf ein ganz neues Niveau bringen.“
Doch die mentale Stärke ist nicht alles, sagt José. Es geht auch darum, dass die Spieler sich in ihrer körperlichen Verfassung wohl und sicher fühlen. So können beispielsweise die Bandagen, die Spieler beim Training oder Spiel tragen, viel ausmachen, auch wenn es sich oft dabei nur um einen Placebo-Effekt handelt.
„Das Anlegen dieser Bandagen zum Spiel oder zum Training, gibt ihnen auch Sicherheit bei der mentalen Vorbereitung. Sie müssen sich wohl fühlen, und manchmal geht es beim Anlegen nur darum, die Sicherheit zu vermitteln, dass ihnen nichts passieren wird.
Portugiesische Spieler, Trainer und Mitarbeiter, darunter José, verwenden die Canon PowerShot V10, um ihre eigene Geschichte bei der Rugby-Weltmeisterschaft 2023 zu dokumentieren.
Während des Trainings werden Bandagen angelegt
José arbeitet intensiv mit Thibault de Freitas
João Granate dehnt sich nach dem Training
José und Thibault scherzen zusammen
Für José steht viel auf dem Spiel, da der Einsatz eines nicht ganz fitten Spielers zu einer Verletzung oder sogar zum Ende dessen Karriere führen kann. Manchmal sind damit schwierige Gespräche verbunden, aber für José ist das ein weiterer Teil seiner Arbeit als Physiotherapeut.
„Alle Teams und Mitarbeiter arbeiten auf dasselbe Ziel hin“, sagt er, „nämlich die Spieler in Bestform auf das Spielfeld zu bringen.“ „Manchmal gibt es Konflikte, weil die Trainer einen Spieler einsetzen wollen, der vielleicht nicht ganz fit ist. Da liegt es in unserer Verantwortung, uns darum zu kümmern. Das erfordert eine Menge Kommunikation.
„Das medizinische Team entscheidet dann: ‚Ja, er kann trainieren, aber heute sollte er keinen Kontakt haben‘, oder „er kann Kontakt haben, aber keinen harten Kontakt‘."
Wie bei den meisten Dingen gehört auch zum Rugby mehr als man denkt. Hinter den Spielern auf dem Platz verbergen sich Dutzende von Menschen, die sich einem einzigen Ziel verschrieben haben: dem Erfolg der Mannschaft.
José und seine Kollegen sind ein wesentlicher Bestandteil davon. Er ist stolz auf die individuellen Beziehungen, die er zu den Spielern aufbaut, um sie sowohl vor Verletzungen zu schützen als auch ihre Leistung auf dem Spielfeld zu optimieren.
„Die Beziehung zwischen dem Physio-Team und den Spielern muss so gut wie nur möglich sein“, sagt er. „Es ist wie beim Friseur: Wenn der Spieler sich traut, mit den Physiotherapeuten zu sprechen, hilft uns das, zu sehen, wo er mental steht, und wir können mit ihm arbeiten.
„Die Physiotherapeuten müssen also offen sein, damit die Spieler ihnen vertrauen und sagen können, was sie denken und was sie fühlen.“
Es ist wichtig, offen und respektvoll zu sein und gut zuzuhören.“
Der Vergleich mit dem „Friseur“ passt ganz gut. Josés Ansatz ist, einen sicheren Raum im Behandlungszimmer zu schaffen, in dem die Spieler ehrlich sein und ihre Sorgen mitteilen können – sowohl mentale als auch physische.
„Solche Gespräche finden oft während der Massagen oder auf den Therapieliegen statt. Meistens sind die Spieler mit den Physiotherapeuten allein. Es ist wichtig, offen und respektvoll zu sein und gut zuzuhören, denn manchmal gehen die Spieler zu den Trainern und sagen: „Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen um mich“, aber während unserer Gespräche merken wir dann, dass es ihm gar nicht gut geht, weil er sich nicht wohl fühlt.
„Diese Gespräche sind natürlich vertraulich, sie finden nur zwischen uns statt. Aber sie zeigen uns, wie wir mit den Spielern arbeiten müssen und was die Spieler brauchen.“
Jeder sollte in der Lage sein, seine eigene Geschichte zu erzählen. Deshalb geben wir José, den portugiesischen Mitarbeitern und Spielern die Möglichkeit, ihre eigene Geschichte auf ihre Weise zu erzählen.
Verletzungen nach einem internationalen Testspiel
José hilft verletzten Spielern
José behandelt die Spieler nach dem ersten Spiel des Turniers
Die Perspektive eines Spielers während der Physiotherapie
Um den Spielern zu helfen, die „beste Version ihrer selbst“ zu werden, werden unzählige Stunden Arbeit geleistet, die normalerweise niemand zu sehen bekommt. José und das Physio-Team sind dabei unermüdlich und beinahe schon selbstlos. Für sie sind die Ergebnisse es aber wert, denn sie tragen zu den magischen Momenten auf dem Spielfeld bei, die noch Jahre später gefeiert werden.
Meistens sind wir die Ersten, die morgens ihren Dienst beginnen, und die Letzten, die aufhören zu arbeiten.“
„Man vergisst das Physio-Team und das Hilfspersonal leicht. Aber die Verantwortung der Mannschaft und der täglichen Arbeit des Physio-Teams der Mannschaft ist sehr groß. Meistens sind wir die Ersten, die morgens ihren Dienst beginnen, und die Letzten, die aufhören zu arbeiten.“
„Manchmal fange ich um 7 Uhr morgens an, Spieler zu behandeln und höre um 23 Uhr auf. Wir werden zwar nicht so sehr wahrgenommen, aber auf dem Spielfeld ist unsere Arbeit deutlich spürbar.“
Sie werden vielleicht oft übersehen, aber wenn man José und seine Kollegen als das sieht, was sie sind – eine Gruppe von Menschen, die sich dem körperlichen und mentalen Wohlbefinden anderer widmen – entsteht ein neues Bild, und es zeigt die unbesungenen Helden des Rugby und der portugiesischen Nationalmannschaft.
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