FILMEN

Teilnahme an Filmfestivals:
Was braucht man, um mit einem Dokumentarfilm erfolgreich zu sein?

Filmemacher arbeiten oft monate- oder sogar jahrelang an einem Dokumentarfilmprojekt, aber wie schaffen sie es, dass es so viele Menschen wie möglich zu sehen bekommen? Canon Botschafter Marcel Mettelsiefen berichtet, welche Erkenntnisse über den Festivalbetrieb er mit seinem Oscar-nominierten Kurzfilm „Watani: My Homeland“ gewonnen hat.
Ein Mann steht auf einem Hügel und hat eine Canon Kamera auf einem Stativ vor sich. Dahinter erstreckt sich in der Ferne eine ausgedehnte Stadt.

Filmemacher Marcel Mettelsiefens Dokumentar-Kurzfilm über eine Familie, die vor dem Krieg in Syrien flüchtet, wurde 2016 für den Oscar nominiert. In seinem neuesten Projekt beschäftigt er sich mit den Taliban in Afghanistan. © Marcel Mettelsiefen

Jedes Jahr präsentieren Festivals, ob groß oder klein, die Werke vieler talentierter neuer Filmemacher und Kameraleute. Von Cannes über Sundance bis Berlin und Toronto werden dem Publikum Hunderte neuer Geschichten und Charaktere vorgestellt, die uns unterhalten und zu unserem Verständnis der Welt beitragen.

Der deutsche Dokumentarfilmer und Canon Botschafter Marcel Mettelsiefen arbeitete gerade an seinem Film „Watani: My Homeland“, als er von der Existenz des Academy Award für den besten Dokumentar-Kurzfilm erfuhr. Nachdem er bereits zahlreiche TV-Auszeichnungen für die Dokumentation des Syrienkonflikts erhalten hatte, war es ihm ein Anliegen zu sehen, ob er diesen Erfolg auch in der Kinobranche wiederholen könnte.

Um für den Preis in Frage zu kommen, musste die Arbeit allerdings schnell vorankommen, denn ein Film muss entweder in einem geeigneten US-Kino gelaufen sein oder auf einem der gelisteten Filmfestivals einen einschlägigen Preis gewonnen haben (oder eine Medaille bei den Student Academy Awards gewonnen haben). „Du nutzt entweder die Festivals, oder du bewirbst dich, und der Film läuft über mehrere Wochen in einem der Kinos“, erklärt Mettelsiefen. „Mein Film hat es auf die Shortlist geschafft, und von da an traten Leute an mich heran und boten mir finanzielle Unterstützung bei der Organisation von Screenings an. Die Leute kommen an Bord, wenn es darum geht, im Vor- oder Nachspann als Produzent genannt zu werden“, ergänzt er. „Natürlich will sich keiner die Chance einer Oscar-Nominierung entgehen lassen!“ Und tatsächlich erhielt sein Film, der von einer syrischen Familie an der Front in Aleppo 2016 handelt, eine Nominierung zum Oscar für den besten Dokumentar-Kurzfilm.

„Es kommt weniger darauf an, wer du bist oder welche Erfahrungen du gesammelt hast, es geht vor allem um die Geschichte, die du erzählen willst“, erklärt Mettelsiefen. „Wenn du über die Teilnahme an einem Festival nachdenkst, musst du dich fragen, ob du das richtige Thema gewählt hast. Hat es das Potenzial, zu etwas Großem zu werden? Wenn das so ist, wenn du einen einzigartigen Zugang zum Thema hast und die Story weltweit von Interesse ist, dann glaube daran und halte durch.“

Sechs Jahre nach seiner Nominierung wird Mettelsiefen neuestes Werk, dessen Name bei Redaktionsschluss noch nicht feststand, in der ersten Septemberwoche auf dem Toronto International Film Festival (TIFF) 2022 uraufgeführt und soll dann weltweit auf Netflix zu sehen sein.

Hier verrät Mettelsiefen, was er durch seinen Film „Watani: My Homeland“ über den Festivalbetrieb gelernt hat. Gemeinsam mit Aron Randhawa, Product Specialist bei Canon Europe, spricht er nicht nur über die wichtigsten praktischen und technischen Elemente des Filmemachens, sondern auch über die Teilnahmevoraussetzungen, an die sich Dokumentarfilmer halten müssen.

Mehr über Marcel Mettelsiefen erfährst du in dieser Episode des Canon Podcasts „Shutter Stories“:

Ein Mädchen kniet vor einem offenen Fenster und hält ein gemustertes Kissen in der Hand.

„Watani: My Homeland“ begleitet eine syrische Familie bei ihrer Flucht vor den Bomben in Aleppo und auf ihrem Weg in ein neues Leben in Deutschland. © Marcel Mettelsiefen

Eine Frau, die ihr kleines Kind im Arm hält, sitzt auf dem Rücksitz eines Autos. Aus dem Fenster sieht man eine regennasse Autobahn vorbeiziehen.

Mettelsiefen hatte die Familie von Kommandant Abu Ali bereits einige Zeit begleitet, als der Krieg eskalierte und sich die Augen der Welt auf Syrien richteten. Nachdem Abu Ali vom IS verschleppt wurde, trafen seine Frau und seine Kinder die schwierige Entscheidung, das Land zu verlassen. © Marcel Mettelsiefen

Eine aktuelle Geschichte finden

Die Story ist das A und O, aber um auf Festivals zugelassen zu werden, muss es eine Nachfrage nach dieser Story geben, also in der Regel ein Thema, das derzeit international Schlagzeilen macht. Mettelsiefen begleitete die syrische Familie, über die er in seinem Dokumentarfilm berichtet, 18 Monate vor der Eskalation des Kriegs in dem Land, und hatte bereits Hunderte Stunden Filmaufnahmen an der Front gedreht.

Sein Film gewann den Pare Lorentz Award bei den IDA Documentary Awards und wurde beim Deutschen Fernsehpreis als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Außerdem erhielt er eine Nominierung beim IDFA (International Documentary Film Festival Amsterdam), die schließlich zur Oscar-Nominierung führte.

„Eine Oscar-Nominierung öffnet den Geschichten, die du erzählst, die Türen zur großen Bühne“, berichtet Mettelsiefen. „Wir leben in einer Zeit, in der Dokumentarfilme hoch im Kurs stehen. Die Budgets sind größer, die Leute sehen sich mehr Dokumentarfilme an, und als Solo-Filmer kann ich dank einer Kameraausrüstung wie der Canon EOS C300 Mark III meine Geschichten im Kinostil erzählen.“

Es dauerte jedoch fünf Jahre, bis er sein nächstes großes Projekt realisieren konnte. „Ich begann 2020 damit und kam aus Afghanistan zurück, wo ich mich mit den Taliban und einer starken weiblichen Führungsfigur beschäftigt hatte. Ich dachte: „Das wird eine ganz große Story“, aber dann begann die globale [Covid-19]-Pandemie, und niemand interessierte sich dafür.

Aber ich glaubte an die Geschichte und arbeitete weiter daran. Im Jahr 2022 war Kabul bereits gefallen und das war die nächste Big Story“, so Mettelsiefen. „Das Interesse ist immer auf in sehr kurzes Zeitfenster beschränkt. Man muss verstehen, was funktioniert und was nicht, dann das richtige Projekt auswählen und daran festhalten.“

Ein Techniker mit weißen Handschuhen reinigt den Sensor einer Canon Kamera.

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Zuerst das Kleingedruckte lesen

Als wäre es nicht schon schwierig genug, eine fesselnde Geschichte zu finden, die weltweit Interesse weckt, ist es für Filmemacher auch noch wichtig, strategisch vorzugehen, um ihren Film in einem vollgepackten Festivalkalender unterzubringen. Das Einhalten praktischer und technischer Anforderungen ist von größter Bedeutung, und du musst dich gründlich informieren, bevor du deinen Film der Öffentlichkeit zugänglich machst. „Für jede Kategorie gibt es Grundvoraussetzungen und bestimmte Qualifikationsbedingungen“, so Mettelsiefen. „Kurze Dokumentationen dürfen nicht länger als 40 Minuten sein, also haben wir uns auf 39 Minuten und 30 Sekunden beschränkt! Außerdem dürfen höchstens 15 % des verwendeten Filmmaterials bereits an anderer Stelle gesendet worden sein.“

Die Bewerbungsfristen liegen in der Regel drei Monate vor Beginn des jeweiligen Festivals, und wenn du für große Preise wie den Oscar nominiert werden willst, musst du wissen, welche Festivalpreise deinen Film zur Teilnahme berechtigen und welche nicht. Von den mehr als 7.000 weltweit gelisteten Filmfestivals stehen etwa 100 auf der Qualifikationsliste, die auf der Website der Academy Awards veröffentlicht wird. Andernfalls ist eine einwöchige Kinospielzeit erforderlich, die viel Geld kosten kann.

Das Projekt darf auch nicht zu lange aufgeschoben werden. In der Regel ist vorgeschrieben, dass die Bewerbung innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Projekts eingereicht werden muss. Daher ist proaktives Handeln gefragt. „Wenn du ein außergewöhnliches und universelles Thema präsentieren willst und in der Lage bist, eine Marketingstrategie dafür zu entwickeln, eine wirkungsvolle Kampagne zu planen und Aufmerksamkeit zu erregen, dann hast du vielleicht gute Chancen, bei den Top-Festivals dabei zu sein“, erklärt Mettelsiefen.

Ein Mann in khakifarbener Jacke und mit Schal steht hinter einer Canon Filmkamera, die sich auf einem Stativ befindet.

„In einer Welt, in der wir ständig einem Übermaß an Informationen ausgesetzt sind, möchte ich mit meinen Dokumentarfilmen im Kurzformat etwas schaffen, zu dem Menschen eine Verbindung aufbauen und das sie verstehen können“, erklärt Mettelsiefen. „Auch wenn Menschen Kriegsgebiete nur aus der Ferne kennen, können wir über globale Themen Nähe herstellen, und das möchte ich erreichen.“ © Marcel Mettelsiefen

Technische Anforderungen erfüllen

Anders als du vielleicht denkst, sind die technischen Anforderungen für die meisten Filmemacher durchaus erfüllbar, selbst was die prestigeträchtige Oscar-Verleihung betrifft, bei der die Dateien als Digital Cinema Package (DCP) mit einer Mindestbildauflösung von 1.920 x 1.080 Pixel und Dreikanalton (links, rechts und Mitte) eingereicht werden müssen. Die meisten Festivals sind sehr viel offener. Alle Canon Cinema EOS Kameras und die Mehrheit der Canon Hybrid-Kameras ermöglichen 4K-Videoaufnahmen, mit denen sich die Voraussetzungen ohne weiteres erfüllen lassen.

„Früher haben die Festivals 24 B/s vorgeschrieben, aber heute wird das viel offener gehandhabt: die Beiträge können von digitalen HD-Vorabexemplaren bis zu physischen Formaten wie analogem Film, DVDs oder sogar VHS reichen“, so Randhawa. „Bei vielen Festivals wird aufgrund der zunehmenden Zahl der Teilnehmer und des hohen Speicherbedarfs für die Verarbeitung der Daten auf 4K verzichtet.“

Kreative sollten jedoch bedenken, dass die Präsentation bei einem Festival weitere Chancen für ihren Film eröffnen kann, beispielsweise die Aufmerksamkeit von TV-Sendern und Streamingdiensten, die eventuell andere technische Anforderungen stellen. Wenn Mettelsiefen mit dem Ziel eines Festivalpreises vor Augen nur in HD produziert hätte, hätte er seinen Film beispielsweise nicht an einen Streamingdienst lizenzieren können, der 4K voraussetzt. Es ist zwar möglich, Schnitte mit einer niedrigeren Auflösung zu exportieren, umgekehrt ist es aber viel schwieriger.

„Ein Dokumentarfilm kann mit 25 B/s gedreht werden, um dem PAL-Videostandard für TV in der EMEA Region zu entsprechen, in einer anderen Region wie in den USA gilt als Videostandard jedoch das NTSC-Format mit 30 B/s. Aus diesem Grund und wegen des digitalen Zeitalters, in dem wir leben, sind die meisten Festivals jetzt entspannter, was die Bildrate angeht“, führt Randhawa weiter aus. Für die traditionelle Filmproduktion und die Kinoveröffentlichung ist 24 B/s jedoch immer noch Industriestandard, unabhängig davon, ob es sich um eine Kurz- oder Spielfilmproduktion handelt.

Eine Gruppe von Basketballspielern, die gemeinsam auf einem Spielfeld stehen und sich um ihren Trainer herum versammelt haben. Seitlich stehen drei Filmemacher mit Kameras und einem Mikrofon, die sie filmen.

Mit der EOS C300 Mark II italienischen Sport und das Thema Staatsbürgerschaft in den Mittelpunkt rücken

Für ihre eindringliche Dokumentation über das Tam Tam Basketballteam nutzten die Produzentin Francesca Tosarelli und der Regisseur Mohamed Kenawi eine Canon Cinema EOS Kamera.

„Anders als viele andere Marken unterstützen Canon Kameras nun 24 B/s, das gilt sowohl für Filmkameras als auch für die Mehrheit unserer Systemkameras. Denn nach wie vor gibt es einige Festivals, die diese strengeren Anforderungen stellen.“

Canon Qualität optimal nutzen

Die Canon Cinema EOS Kameras sowie die meisten Canon Hybridkameras sind von technischer Seite für die Teilnahme an einem Filmfestival mehr als gut gerüstet. Kreative können die zusätzliche Auflösung nutzen, die ihnen während der Aufnahme zur Verfügung steht, und dann den Schnitt in die gewünschte Auflösung exportieren.

„Selbst wenn Filmfestivals nur noch Full-HD oder sogar weniger verlangen, lässt 4K mehr Spielraum für Auflösungen bei HD-Produktionen“, erläutert Randhawa. „Für einen kinotypischen Effekt oder um näher heranzukommen, ohne an Auflösung zu verlieren, ist ein digitaler Zoom möglich. Oder vielleicht ist das Budget knapp, und du verzichtest auf einen Gimbal. 4K bietet mehr Spielraum zum Zuschneiden von HD-Produktionen und für die Bildstabilisierung in der Nachbearbeitung.“

Mettelsiefen stimmt dem zu, insbesondere weil er bei seinem aktuellen Filmprojekt mit der Canon EOS C300 Mark III wieder alleine arbeitet. „Meine persönliche Ambition seit Watani lag darin, an meiner Kameraführung zu arbeiten und sie zu verbessern“, erklärt er. „Ich habe in 4K RAW und mit Canon Log gefilmt, um mit der EOS C300 Mark III die bestmögliche Qualität zu erzielen, weil ich aus der Fotografie komme. Ich filme alleine und versuche, eine visuelle Sprache zu schaffen, die Kino-Charakter hat.

„Canon ist auch bei solch extremen Bedingungen äußerst zuverlässig“, ergänzt er. „Du kannst 4K-Filmaufnahmen mit großen Datenmengen und Proxys gleichzeitig machen – und diese Daten nach 14 Stunden im Außeneinsatz effizient bearbeiten. In den Ländern des Nahen Ostens, wo die Kontraste im Sommer so stark sind, ist der gewaltige Dynamikumfang enorm hilfreich. Und mit den integrierten ND-Filtern habe ich die Möglichkeit, auch ohne großen Aufwand ein Kinoerlebnis zu schaffen. Es ist beeindruckend.“

Mettelsiefen ist der Meinung, dass Dokumentarfilme dazu beitragen, komplizierte Geschichten aufzuschlüsseln und es dem Zuschauer zu ermöglichen, sich auf einer emotionalen Ebene mit einem Thema auseinanderzusetzen. „Die Zuschauer erkennen, dass die Menschen gar nicht so anders sind“, erklärt er. „Watani ist die Geschichte einer einzelnen Familie, die jedoch den größeren Zusammenhang berührt. Als Solo-Filmer kann ich mit meiner EOS C300 Mark III Geschichten in Kinoqualität erzählen, und das ist der Grund dafür, warum Dokumentarfilme ein größeres Publikum erreichen.“

Tim Coleman

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